Nordkorea 2016

Eine geraume Zeit lang hatte mich der Gedanke „Nordkorea“ beschäftigt und die ersten Anreize dieses Land zu besuchen hatte ich bereits 2014. Nachdem ich den langwierigen Prozess vor der Einreise abwickeln konnte, in dem mir vom Chinesischen Botschafter persönlich jegliche Unterstützung in Ernstfall abgelehnt wurde, machte ich mich auf den Weg nach Pjöngjang.

Die Einreise ging erstaunlich schnell und abgesehen von den erwarteten Durchsuchungen meines Gepäcks und erneutem Ausfüllen mehrerer Einreisedokumente wurde ich freundlich am Flughafen begrüßt. Die einzige Schwierigkeit die ich hatte war, dass ich nicht wusste wie meine Guides aussehen und da sie sich auch nicht wirklich bemerkbar gemacht hatten verließ ich das Flughafengebäude nur um nach wenigen Schritten zurück eskortiert zu werden. Mit Hilfe meiner Eskorte fand ich meine Guides dann relativ schnell. Zwei junge Damen.

Das Programm ging sofort los und die ersten Stunden in Pjöngjang waren noch etwas surreal. Am ersten Abend in meinem Hotelzimmer wurde es allerdings real, als um 22:00 beinahe in der ganzen Stadt die Lichter ausgingen. Dass in der ganzen Stadt von Natur aus schon kaum Lichter an waren, lasse ich bewusst außer Acht.

Als eine der ersten Sehenswürdigkeiten musste ich die Bronzestatuen zu Ehren von Kim Il Sung und Kim Jong Il besuchen, Blumen niederlegen und meinen Respekt zeigen. Dabei spürte ich zum ersten Mal die strikten Vorgaben, die die Guides auf diesem Trip noch auferlegen werden. Im Nachhinein gesehen war es dann jedoch nur ein Ort von vielen, denn auch wenn ich außergewöhnlich häufig hingewiesen wurde, dass ich Fotos machen kann und soll, waren die Guides dann doch sehr besorgt darum was und wie ich fotografiere.

Besonders auffällig war die Tatsache, dass man immer auf denselben sehr sauberen Straßen unterwegs war und die Grünflächen ausgesprochen gut gepflegt waren. In Anbetracht der schätzungsweise 1.000 Menschen die ich gesehen hatte die damit beschäftigt waren die Straßen zu fegen oder den Rasen zu trimmen (dabei konnte ich nicht unterscheiden, ob es die berühmt berüchtigten Graspflücker oder Gärtner waren) war dies auch nicht sehr verwunderlich.

Etwas das mir sehr unangenehm war, war dass man bei allen öffentlichen Bereichen wie eine Art Berühmtheit behandelt wurde. In der Science City, ein riesiger Gebäudekomplex der Studienbereiche, eine Bibliothek und mehrere interaktive Lernbereiche für Kinder unter einem Dach vereint, wurden anstehende Menschen durch meine Guides förmlich auf die Seite gedrängt, dass ich an ihnen vorbeigehen konnte. Dies wiederholte sich regelmäßig bei anderen Sehenswürdigkeiten und vor einem botanischen Museum wartete eine Menschenmenge darauf bis ich das Gebäude wieder verlassen hatte, obwohl sie bereits vor mir angekommen waren. Diesen Sonderstatus bekommt man sehr zu spüren, wenn man in den Schülerpalast geführt wird.

Kim Il Sung wird als enormer Kinderfreund dargestellt und man bekam bei jeder Gelegenheit vor Augen geführt, dass Kinder eine der höchsten Prioritäten im Land darstellen. Deshalb sind Schulen und jegliche Bildungsstätten extravagante und pompöse Bauten. Private Vorstellungen mit diversen Instrumenten und sonstigen Talenten von Kindern standen in jedem Raum zur Schau. Teilweise waren diese Kinder gerade einmal sechs Jahre alt und entweder sind es Naturtalente des höchsten Grades oder wurden von jüngstem Alter an trainiert. Mein langer Bart verursachte anfänglich zwar ein gewisses Maß an Zurückhaltung, jedoch als ich begann Haribo Gummibärchen zu verteilen war die Schüchternheit wie fortgeblasen und soweit ich Kinderlachen beurteilen kann waren diese ehrlich. Dies hatte mir den Tag kräftig versüßt.

Im krassen Kontrast dazu stand der Besuch des Grenzpostens in der Nähe von Kaesong. Man wird in fast allen Bereichen der Reisetour von jeglichen Spannungen zwischen Nord- und Südkorea ferngehalten. An der Grenze spürte man jedoch förmlich das Knistern in der Luft und der Weg durch die etlichen Militärcheckpoints dorthin verbessert dieses Gefühl nicht wirklich. Die diversen Gewehre die in meine Richtung gerichtet waren gaben dem Ganzen die Kirsche oben drauf. Die Rückkehr nach Pjöngjang erleichterte mich erstaunlicherweise mehr als ich erwartet hatte.

Eine angenehme Abwechslung waren die diversen Fahrten durch das Land. Die Landschaft ist atemberaubend schön. Leider war die Autobahn gesperrt und wir mussten Landstraßen benutzen. Im Normalfall wäre ich darüber erfreut gewesen, dass wir durch mehrere Ortschaften fahren konnten. Dabei hatte ich jedoch meine Gedanken verdrängt, dass die ländliche Bevölkerung unter massiver Armut leidet. Daran wurde ich bei dieser Fahrt bitter erinnert und meinen Guides war es sichtlich unangenehm, dass ich diese Bilder gesehen habe die nicht in ihre Beschreibungen passten. Dementsprechend war es mir wieder einmal verboten Fotos zu machen.

Der 9. September ist der Nationalfeiertag in Nordkorea. Den meisten Menschen wird der 09.09.2016 allerdings wegen des Atomwaffentests in Erinnerung bleiben. Ich werde mich jedoch daran erinnern, dass ich eine Militärparade gesehen habe, eine atemberaubende Zirkusvorstellung besuchen und in einen traditionellen Massentanz in der Nähe des Triumphbogens mittanzen konnte.

Meine Guides brachten mich bis zum Bahnhof bevor ich meine 24 Stunden Fahrt Richtung Peking antreten durfte. Es war ein seltsamer Abschied, da ich mir nach wie vor nicht sicher war in welchem Verhältnis wir zueinander standen, nachdem ich eine Woche mit ihnen verbracht hatte.

In Dandong an der Grenze zu China durchlief ich die intensivste Grenzkontrolle in meinem Leben und ich bezweifle, dass dies jemals übertroffen werden kann. Vier Stunden lang wurden alle Taschen, Fotos, Bücher und sonstigen persönlichen Gegenstände durchsucht. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Fotozensur. Meine Guides hatten mir bereits beim Fotografieren über die Schulter gesehen und stichprobenartig die SD Karte kontrolliert. Trotzdem musste ich bei der Ausreise noch ungefähr 200 Fotos löschen, die dem Grenzbeamten missfielen. Als wir in Dandong schlussendlich losfuhren kam mir ein seltsamer Gedankengang: „endlich wieder im freien China“. Nachdem ich im Hotel in Peking versuchte Google zu öffnen verwarf ich diesen Gedanken wieder.

Als Schlusswort muss ich anbringen, dass diese Reise wesentlich anders verlief als erwartet. Vorort musste ich mich immer wieder selbst daran erinnern in welchem Land ich gerade bin und dass ich nicht einfach losgehen konnte um die Gegend zu erkunden, da ich spätestens nach 100 Metern aufgehalten werde. Die Guides hatten ein enormes Talent mir eine rosarote Brille aufzusetzen um mich im Glauben zu lassen, dass all das Schlechte was man in den Medien hört nur westliche Propaganda ist. Etwas dass ich niemals erwartet hätte war die Tatsache, dass sie mich dazu brachten, dass ich meine Leidenschaft für Japan verleugne da beinahe jeder Missstand im Land auf die Japanische Kolonialherrschaft geschoben wird. Dies hatte mein Gewissen mehrfach auf die Probe gestellt. Es war eine eindrucksvolle Reise und ich bereue es nicht, dass ich sie angetreten habe und es wird mit Sicherheit noch eine Weile dauern bis ich alle Erlebnisse verarbeitet habe.