Alles beginnt im Sommer 2018. Mein Kollege sagt beiläufig zu mir, dass ich den Motorradschein machen soll und im nächsten Jahr fahren wir gemeinsam zum Nordkap. Ein Jahr später schaffe ich die Prüfung gerade noch eine Woche vor der geplanten Abfahrt.
Aufgrund der Unsicherheit ob wir überhaupt losfahren können, buchten wir keinen Autozug nach Hamburg und rasen so schnell wie möglich durch Deutschland. Ein Unfall kurz vor der dänischen Grenze schliesst jedoch erst einmal die Autobahn zu. Mit unseren Drohnen wird die Lage ausspioniert und nach einer halben Stunde geht es wieder weiter.
In Schweden angekommen befinden wir uns erstmalig wirklich komplett in Urlaubsstimmung und genießen durch das Jedermannsrecht direkt an einem kleinen der unendlich vielen Seen eine Übernachtung im Zelt.
Doch der Weg zum Nordkap ist weit und das wird uns mit jedem Tag, den wir unterwegs sind, mehr bewusst. Auf Google Maps sieht die Distanz nach Zürich fast schon surreal aus und die Mücken, welche sich auf dem Helmvisier nach kürzester Zeit ansammeln sind förmlich eine Plage. Den letzten Sonnenuntergang erleben wir ungefähr auf halber Distanz durch Schweden und wir vermisse die Dunkelheit einer Nacht jeden Tag mehr. Hunderte Kilometer legen wir zurück ohne, dass sich ein Abend heranschleicht und so kommt es nicht selten vor, dass wir um kurz vor elf Uhr nachts verzweifelt ein Restaurant zum Abendessen suchen, weil wir die Zeit vergessen haben.
Einen kurzen Abstecher zu eine Lodge bei der ich schon mehrere Winter verbracht habe führt uns zu diversen Abenteuern mit Querfeldein Versuchen und schon sind wir auf der Nordkapstrasse. Knapp über 200km liegen zwischen dem Kap und der letzten wirklichen Stadt. Auf dieser Strasse fühlen wir erstmals den kalt beissenden Meereswind, der gefühlte minus fünf Grad vermittelt. Komplett abgefroren kommen wir zu unserer Unterkunft, welche sich zwanzig Minuten von der Kapkugel entfernt befindet und geniessen die wärmende Suppe.
Die letzten Kilometer zum Kap verlaufen unspektakulär, sofern nicht die Visierhalterung von meinem Helm gebrochen wäre, ich die eisigen Winde bis zurück zur Stadt ertragen muss und mir die einzige Wahl bleibt einen Schneemobilhelm als Ersatz zu kaufen. Dieser wird noch fachmännisch mit einem Taschenmesser und Klebeband umgebaut, dass mein Intercom hineinpasst und dann verläuft auch schon wieder alles planmässig.
Wir bekommen die natürliche Schönheit Norwegens so hautnah mit, dass uns auf den Lofoten beinahe der Sabber unter den Helmen hervortropft. Bis jetzt haben wir noch nie einen schöneren Ort kennengelernt als diesen. Die Vermischung aus optisch tropisch weissen Sandstränden, türkisem Meer und schneebedeckten Bergen welche direkt in den Ozean fallen lässt einen im Glauben als wäre man in einem Fantasy Film.
Auch auf der Rückfahrt durch Norwegen realisieren wir wieder einmal was für eine gewaltige Distanz zwischen dem Nordkap und der Schweiz sich befindet. Nach mehrtägiger Reise kommen wir in Oslo an und machen unseren obligatorischen Abstecher zur PNC Zentrale, welche viel leichter zu erkennen wäre, wenn ein paar Fahnen aufgestellt wären.
Auf der Fähre von Oslo nach Frederikshavn erleben wir unsere erste wirkliche Nacht seit zwei Wochen und mit Bier vergeht auch diese Fahrt, genau wie die Fahrt durch Dänemark wie im Flug.
Auf der Autobahn in Deutschland bei 150km/h steigt jedoch plötzlich Rauch von meinem Motor auf und meine vordere Bremse funktioniert nicht mehr. Eine Schrecksekunde später stehen wir am Strassenrand und stellen fest, dass mein Bremsschlauch geplatzt ist und Bremsflüssigkeit auf den heissen Motor getropft hat. Immerhin kein Schaden am Motor. All dies geschieht zum Besten aller Zeitpunkte fünf Minuten vor 18:00 an einem Freitag. Zum Glück gibt es eine Yamaha Garage etwa zehn Minuten entfernt und wir schaffen es noch zur Garage und können meine Maschine abgeben. Da das Wochenende ansteht und mein Motorrad erst die Woche darauf wieder fahrtüchtig ist, trennen sich die Wege zwischen meinem Kumpel und mir und ein paar Tage später mache ich mich auf die abschliessenden Kilometer zur Côte d’Azur auf.
Nachdem ich in Südfrankreich in meinem Lederoutfit fast geschmolzen bin erreiche ich Zürich mit ein paar Umwegen über diverse Passstrassen und schalte meine Maschine zum letzten Mal für die nächste Zeit ab.